Die Identifikation von Krankheitsmustern gemäß den Vier Schichten wurde von Ye Tianshi in seinem Buch „Abhandlung über Wärme-Erkrankungen“ (Wen Bing Lung, 1746) entwickelt. Davor beherrschte die von Zhang Zhongjing in einer „Abhandlung über kälteverursachende Schäden (Shangan lun, 200 n. Chr.) gemäß den Sechs Stadien 14 Jahrhunderte lang das Denken bezüglich Pathologie und Therapie von Krankheiten äußeren Ursprungs.
Bis zur Entwicklung der Schule der Wärme-Erkrankungen dachte man, dass äußere pathogene Faktoren durch die Haut in den Körper eindringen würden, was die Bedeutung des Schwitzens als Therapiemethode im Anfangsstadium erklärt. Die Schule der Wärme-Erkrankungen glaubte hingegen, dass pathogene Faktoren durch Nase und Mund eintreten. Dies ist eine sehr scharfsinnige Sichtweise, die derjenigen in der westlichen Medizin entspricht, da ja Bakterien und Viren, die eine Wärme-Erkrankung verursachen, durch die Schleimhäute von Nase und Mund in den Körper gelangen.
Noch wichtiger war die Entdeckung des infektiösen Charakters dieser Krankheiten. Dieser Gedanke, der vor der Einführung der westlichen Medizin in China formuliert wurde, war revolutionär, weil vorher die Auffassung herrschte, dass die Umstände, die bestimmen ob ein Mensch dem Eindringen von äußeren pathogenen Faktoren unterliegt, im relativen Ungleichgeweicht zwischen dem ä8ßeren pathogenen Faktor und dem körpereigenen Qi zu suchen sind. Obwohl so ein Ungleichgewicht bei der Entwicklung von Wärme-Erkrankungen immer noch eine Rolle spielt, erkannte die Schule der Wärme-Erkrankungen, das ss einige der pathogenen Faktoren, die Wärme-Erkrankungen verursachen, sehr stark sein können „virulent“ um einen Ausdruck aus der westlichen Medizin zu verwenden. Viele Menschen unterliegen ihnen, auch wenn ihr körpereigenes Qi relativ stark sein kann. Darüber hinaus erkannten die Ärzte der Schule der Wärme-Erkrankungen den zuweilen epidemischen Charakter einiger dieser Krankheiten und sahen deutlich, dass die Bevölkerung ganzer Dörfer oder sogar Landstriche durch eine epidemische Infektionskrankheit dezimiert werden kann.
Alle Wärme-Erkrankungen werden per definitionem durch das Eindringen von Wind-Hitze verursacht, aber nicht jeder Wind-Hitze-Befall ist auch eine Wärme-Erkrankung.
Bsp. Für Wärme-Erkrankungen: Influenza, Masern (Rubeola), Röteln (Rubella), Windpocken (Varizellen), Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber), Mumps (Parotitis), SARS/COV2, Meningitis, Enzephalitis, Keuchhusten (Pertussis) und Scharlach (Scarlatina).
Vergleich der Vier Schichten nach Eindringtiefe
SCHICHT | TIEFE | SCHWEREGRAD | SYMPTOME |
Abwehr-Qi (Wéi) | Äußerliche Abwehrschicht | Leichtgradiges Anfangsstadium | Betrifft Kopf, Nase, Hals, Rachen, Atemwege, Husten, leichtes Fieber |
Qi | Schicht der Qi wandelnden Substanzen | Leicht- bis mittelgradig | Hitzezeichen, hohes Fieber, viel Schwitzen, Durst, starke und brennende Schmerzen |
Nähr-Qi (Ying) | Innere Schicht der nährenden Substanzen | Mittel- bis schwergradig | Yin-Leere-Hitze-Zeichen, hohes Fieber am Aend und in der Nacht, trockener Mund und Stuhl, Insomnie |
Xuè (Blut) | Innere Schicht | Schwergradig bis lebensbedrohlich | Wie Ying Ebene, zusätzlich mit Blutungen, Exkrete, Delirium, Koma |
Vergleich der Vier Schichten nach Symptomen
SYMPTOME | ABWEHR-QI | QI | NÄHR-QI/Blut |
Fieber | Leichtes Fieber, Kälteabneigung | Hohes Fieber, Hitzegefühl | Nächtliches Fieber |
Durst | Leicht | Stark, Verlangen nach kalten Getränken | Trockener Mund, Bedürfnis in kleinen Schlucken zu trinken |
Psychischer Zustand | Unverändert | Unruhe, ggf. Delirium, im Allgemeinen klarer Geist | Delirium, Ohnmacht, verwirrter Geist |
Schwitzen | Leicht | Reichlich | Nachtschweiß |
Zunge | Rote Zungenränder/vorderer Bereich, dünner, weißer Belag | Roter Zungenkörper, dicker, gelber Belag | Roter Zungenkörper, kein Belag |
Puls | Oberflächlich, schnell | Groß, schnell, tief, voll, schlüpfrig | Dünn, schnell |
Zusammenfassung | Äußeres Muster | Inneres Muster, starkes Aufrechtes Qi | Inneres Muster, schwaches Aufrechtes Qi |
Kälteabneigung, Fieber | Keine Kälteabneigung, Fieber, Hitzegefühl | Nähr: psychische Veränderungen, nächtliches Fieber
Blut: nächtliches Fieber, Blutungen, Maculae, innerer Wind |
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Beziehung zwischen den Vier Schichten, Sechs Stadien und Drei Erwärmern
Verlauf der Krankheit innerhalb der 6 Stadiendurch äußere Kälte im Shang Han Lun
6 Stadien | Meridiane |
Yang, akut, Fülle, außen | |
Tai Yang Großes Yang Stadium |
Blase, Dünndarm |
Shao Yang Kleines Yang-Stadium |
Gallenblase, Sanjiao |
Yang Ming Helles Yang Stadium |
Magen, Dickdarm |
Yin, chronisch, Schwäche, innen | |
Tai Yin Großes-Yin-Stadium |
Milz, Lunge |
Shao Yin Kleines Yin-Stadium |
Herz, Nieren |
Jue Yin Umkehr-Stadium |
Leber, Pericard |
Taiyang-Stadium -> AbwehrQi-Schicht
Yangming -> Hitze im Yangming (3E) und Trockenheit-Hitze im Magen der Qi-Schicht (4 Schichten)
Shaoyang-> Gallenblasen-Hitze in der Qi-Schicht
Drei Erwärmer:
UE -> Nähr-/Blut-Schicht
ME -> Qi Schicht
OE -> Abwehr-, Qi- und Nähr-Schicht
Quelle: Giovanni Maciocia, Grundlagen der chinesischen Medizin, 2. Auflage 2008, Urban & Fischer Verlag München